[Werbung. Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Stiebner Verlag kostenlos zur Verfügung gestellt. Der Beitrag enthält Amazon Affiliate Werbelinks, die mit einem * gekennzeichnet sind. Wenn ihr diese zum shoppen benutzt, bekomme ich eine kleine Provision. Der Einkauf wird für euch dadurch nicht teurer und ich kann auch nicht sehen, wer was über diesen Link bestellt. Ihr unterstützt damit meine Arbeit an diesem Blog. Danke!]
Na, wer erinnert sich noch? Anfang letzten Jahres haben Frau Jetztkochtsieauchnoch und ich im Frickelcast Bernd Kestler vorgestellt: KLICK. Bernd ist in den 1990ern nach Japan ausgewandert und hat dort eine beachtliche Karriere als Strickdesigner hingelegt. Hier in Deutschland/Europa kannte man ihn kaum, da er seine Muster und Bücher auf japanisch veröffentlicht. Bis der Stiebner Verlag Bernd und seine zum Teil außergewöhnlichen Muster entdeckt hat und erst seine Spiralsocken * (meine Rezension dazu findet ihr hier: KLICK) und jetzt seine Japanischen Handschuhe * ins Deutsche übersetzt hat.
Wie viele seiner Projekte sehen die Handschuhe von Bernd auf den ersten Blick ein bisschen ungewöhnlich aus, da sie anders konstruiert werden, als man es sonst so von Handschuhen gewohnt ist. Bernds Handschuhkonstruktion beginnt nämlich mit dem Daumen. Das klingt seltsam, ist aber eigentlich ziemlich genial, da seine Konstruktionsweise dazu führt, dass man die Handschuhe super einfach an die eigene Handgröße anpassen. Nachdem man den Daumen gestrickt hat folgt nämlich, durch Zunahmen, die Handfläche, die man einfach dann beendet, wenn die eigene Handbreite erreicht ist. So ohne Hand drin sehen die Handschuhe für mein Empfinden etwas seltsam aus, aber anhand der getragenen Bilder im Buch sieht man, dass sie an der Hand wirklich gut sitzen.
Das Buch* beginnt mit einem kleinen theoretischen Teil, in dem das Grundprinzip der Konstruktion der Handschuhe erklärt wird. Ich bin ja nicht so der Held, was räumliche Orientierung angeht, aber selbst ich habe das anhand des Textes und der zugehörigen Skizze sofort begriffen. In diesem Kapitel wird auch gezeigt, wie durch unterschiedliche Daumengröße und die Garnwahl leicht die Größe des ganzen Handschuhs angepasst werden kann.
Auf das Konstruktionskapitel folgt die Vorstellung der Modelle. Hier fand ich es nicht so ideal, dass die Modellfotos und die dazugehörigen Anleitungen räumlich voneinander getrennt sind. Es werden nämlich tatsächlich erst alle Modelle mit großen Fotos präsentiert und in einem eigenen Kapitel folgen dahinter gebündelt die Anleitungen – im Prinzip so wie in einer Strickzeitschrift, wo mich dieses Prinzip auch stört. Ich habe gerne die Modellbilder direkt vor mir, wenn ich eine Anleitung nachstricke, denn manches Mal erschließt sich mir ein Knackpunkt in einer Anleitung eher durch einen Blick aufs fertige Strickstück als durch den Anleitungstext. Aber das ist Kritik auf hohem Niveau.
Die verschiedenen Designs sind, wenn ich das so sagen darf, typisch Bernd. Es gibt einige klassische Modelle mit Strukturmustern oder eleganten Zöpfen, aber auch eher „verrückte“ Handschuhmodelle mit Stacheln oder aus sehr bunten Garnen. Besonders witzig fand ich die „Handpuppen“, das sind Handschuhe (nicht nur) für Kinder in Tierform: Schwein, Elefant und Löwe – und ich bin sehr stark am überlegen, ob ich die Löwenhandschuhe brauche!
Aufgrund ihrer Konstruktionsweise sind alle im Buch enthaltenen Handschuhe Fäustlinge in verschiedenen Varianten: klassisch geschlossen, mit oben offener Spitze so dass die Finger noch rausgucken oder auch mit einer Klappe, so das man den Handschuh wahlweise oben offen oder geschlossen tragen kann.
Etwas, das mir in dem Buch besonders gut gefallen hat, sind die gemodelten Fotos von den Handschuhen. Die verschiedenen Models wurden vor einem neutral weißen Hintergrund abgelichtet und die Posen wirken (zumindest auf mich) nicht so gestellt. Diese Fotos haben mich in ihrer Schlichtheit sehr angesprochen.
Leider werden nicht alle enthaltenen Designs an Händen gemodelt gezeigt. Wie ich oben schon einmal erwähnte sehen die Handschuhe für mein Empfinden unangezogen etwas seltsam aus und gerade, wenn sie ein aufwändigeres Muster haben kommt das ungetragen einfach nicht so schön raus. Bestes Beispiel hierfür sind die Brauthandschuhe – ein Handschuhpaar mit einem sehr offenen Lacemuster. Bei diesem Exemplar kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie es getragen aussieht, was sehr schade ist.
Neben Handschuhen enthält das Buch * auch einige Mützen, die demselben Konstruktionsprinzip folgen: Sie werden von oben gestrickt und beginnen mit einem „Pinöckel“ – dadurch entstehen witzige Mützen wie beispielsweise die Eichelmütze (und man könnte daraus auch alle möglichen Arten von Obst- und Gemüse-Mützen machen, quasi alles mit kleinem Stiel oben). Beim Thema Mützen komme ich jetzt zu einem kleinen Exkurs, der uns auch in der Rezension im Frickelcast ein bisschen beschäftigt hat.
Exkurs zur Ähnlichkeit von Strickdesigns
[Das hier ist jetzt meine sehr subjektive Sicht auf die Dinge und gilt nicht nur für den speziellen Fall hier im Buch sondern generell.]
Im Buch ist ein Mützenmodell enthalten, das dem Baa-ble Hat von Donna Smith sehr ähnlich sieht. Der Baa Ble Hat wurde von Donna 2015 anlässlich der Shetland Wool Week designt und wurde in diesem Kontext von vielen Stricker*innen gestrickt. Die Mütze von Bernd ist zwar anders konstruiert (von oben nach unten statt wie bei Mützen üblich von unten nach oben) und hat mit dem Zipfel oben und dem Rollrand andere Details, aber das Motiv – die Schäfchen auf einer Wiese mit weißen Flöckchen auf der Wiese und dem Himmel – erinnert sehr stark an das Design vom Baa Ble Hat.
Mein erster Impuls war an dieser Stelle, ganz stark innerlich zusammen zu zucken und Empörung in mir aufsteigen zu lassen. Allerdings bin ich nach der ersten, initialen Reaktion etwas verhaltener, was Empörung oder so angeht. Um Tomatenwürfen entgegen zu wirken eins vorne weg: Designklau ist doof und geht gar nicht. Punkt. Allerdings bin ich auch der Meinung, dass man mit dem Vorwurf des „Abkupferns“ vorsichtig umgehen sollte. Und vielleicht vertrete ich da auch eine sehr kontroverse Meinung, wenn ich sage, dass ich wirklich und wahrhaftig glaube, dass es passieren kann, dass zwei Strickdesigner*innen unabhängig voneinander auf eine sehr ähnliche Idee kommen, ohne das Design des anderen zu kennen.
Das liegt vor allem daran, dass es im Strickbereich nur sehr wenige Muster gibt, die wirklich und wahrhaftig originell und „neu erfunden“ sind. Das allermeiste findet sich in irgendeiner Mustersammlung wieder (im Zuge der Rezension von Martina Behms Buch habe ich ein bisschen was zu Elizabeth Zimmermann und dem Prinzip des „unventing“ statt „inventing“ beim Strickdesign geschrieben: KLICK) – die meisten Designer*innen benutzen solche Mustersammlungen und selbst wenn sie es nicht tun: Es gibt so Muster oder Formen, die ergeben sich fast schon organisch und logisch (mir geht das beispielsweise bei Zöpfen und verkreuzten Maschen so).
Das Schafmotiv des Baa-ble Hat ist keine Erfindung von Donna Smith. Es war 2013 schon mal der heiße Scheiß, als Pinneguri ihre Angry Sheep Jacke veröffentlicht hat, die damals auch hoch und runter gestrickt wurde. Und ich habe nur ganz kurz auf ravelry nach Schafmotiven gesucht und bin über eine Mütze von Kate Davies aus 2012 gestolpert, auf dem sich dasselbe/ähnliche Motiv findet. Und wenn ich weiter graben würde, würde ich garantiert noch mehr finden – und das sind nur die Projekte auf ravelry. Wer weiß, was es auf anderen Plattformen in anderen Ländern dazu noch für Designs gibt.
Auch die grüne Wiese, der blaue Himmel und die Schneeflöckchen sind Motive, die bei mehrfarbigen Schafdesigns häufiger in der ein oder anderen Kombi auftauchen. Es liegt vielleicht bei dem Motiv auf einfach ein bisschen nahe.
Was ich damit sagen will: Ich für meinen Teil bin vorsichtig, was den Vorwurf des Ideenklaus angeht. „Das kennt man doch“ oder „Das muss man doch mitbekommen haben“ sind für mich Argumente, die ich nur sehr vorsichtig benutze – auch wenn das oft mein erster Impuls ist. Zumal, wenn es um Designer*innen geht, die aus völlig anderen Strickkulturen kommen. Es ist fast schon sehr euro- (bzw. US-)zentristisch, davon auszugehen, dass jede*r Designer*in auf der ganzen Welt ein bestimmtes Strickdesign kennen muss, das für ein europäisches Strickevent designt wurde. Ganz ehrlich: Meine Strickwelt ist ravelry und die englisch- und deutschsprachige Instagram Strickblase, was sich auf anderen Plattformen in anderen Ländern abspielt (oder auf Insta in anderen Sprachen/Strickblasen) findet in meinem Fokus nicht statt. Ich habe keine Ahnung, welche Designer*innen in Japan, China, Abu Dhabi, Russland oder Indonesien der heiße Scheiß sind und welche Designs in der dortigen Strickcommunity hoch und runter gestrickt werden – nicht alles findet auf ravelry oder englischsprachig statt. Warum erwarte ich dann, dass jemand aus (willkürliches Beispiel) Sri Lanka weiß, was in Europa oder den USA der heiße Scheiß ist? Ich bezweifle, dass deutsche oder amerikanische Strickdesigner*innen alle möglichen Strick“blasen“ in allen möglichen Ländern recherchieren, bevor sie ein Design veröffentlichen. Ich glaube, dass die meisten da recht fest in ihrem Teil der Strickcommunity verhaftet sind. Was ja auch grundsätzlich nicht schlimm ist.
Noch einmal betont: Designklau geht gar nicht. Und es gibt genug Seiten, eine von einem namenhaften Garnhersteller, die dafür bekannt sind, Designs, die auf ravelry gerade abgehen, „zufällig“ zeitnah ziemlich schamlos abgekupfert auf ihrer eigenen Homepage zu veröffentlichen. In vielen anderen Fällen bin ich aber sehr vorsichtig, was diesen Vorwurf angeht – so auch in diesem Fall. Ich kann und will nicht beurteilen, ob hier „abgekupfert“, (vom Verlag) schlecht recherchiert [das ist ein Vorwurf, den ich in diesem Fall noch am ehesten machen kann], dieselbe Mustersammlung benutzt oder einfach nur ein Zufall passiert ist. Es wäre vielleicht noch nicht mal aufgefallen, wenn nicht das Buch jetzt, mehr als zwei Jahre nach seinem Erscheinen in Japan, auf Deutsch übersetzt worden wäre und damit den Sprung in eine andere Strickblase geschafft hätte.
Meine Argumentation in diesem Exkurs regt aber vielleicht ein wenig zum Nachdenken an, was dieses Thema angeht. Ich versuche in letzter Zeit immer bewusster, Sachen differenziert zu betrachten und bin – vielleicht naiverweise – zunächst immer grundsätzlich optimistisch, was Motivation und Motive meiner Mitmenschen angeht. Was nicht heißt, dass ich unkritisch an alles herangehe.
Zurück zum Buch
Jetzt aber genug Gedankensalat, zurück zum Buch *. Positiv erwähnen möchte ich nämlich noch die enthaltene Grundanleitung, in der das Konstruktionsprinzip sowie zwei mögliche Arten der Zunahmen erklärt werden. An dieser Stelle werden auch spezielle Techniken erklärt, die für das Stricken der Handschuhe benötigt werden, wie eine spezielle Art des Abkettens mit drei Nadeln. Die Illustrationen hierfür sind wirklich gut, auch ich als eher schlechtes Beispiel räumlichen Denkens habe alles gut nachvollziehen können. Dasselbe gilt für den Technikteil am Ende des Buches, in dem noch einmal Basics wie Maschen zu- und abnehmen etc. erklärt werden.
Die Anleitungen für die Handschuhe sind für mein Empfinden gut nachvollziehbar. Es gibt, bis auf die Basic Anleitung, wenig geschriebenen Text und dafür viele Strickschriften, was mir und meiner Art des Anleitunglesens sehr entgegen kommt.
Fazit
Mir gefällt das Buch * von Bernd wirklich gut. Die Idee, Handschuhe vom Daumen aus zu stricken ist witzig und ermöglicht ein super Anpassen der Handschuhe an die eigene Handform. Ich will auf alle Fälle ein oder zwei Modelle aus dem Buch stricken – allein um zu schauen, ob die Passform wirklich so gut ist, wie sie auf den Bildern im Buch wirkt. Ich kann euch nur ans Herz legen, einmal ins Buch zu blättern, wenn ihr die Gelegenheit dazu bekommt.
Überblick:
Titel: Japanische Handschuhe stricken *
Autor: Bernd Kestler
Verlag: Stiebner Verlag
Preis: 19,90 € (D)
Ich habe mir das Buch am Samstag spontan gekauft. Das erste Paar Handschuhe nach Anleitung gestrickt, das zweite strickte sich schon fast von selbst. Die Handschuhe sind der Renner bei meiner Familie😀
Guten Morgen Steffi, das Buch ist super. Ich stricke diese Handschuhe gerade und vermindere dadurch meinen Bestand an Wollresten (hauptsächlich Sockenwolle). Habe auch schon welche verschenkt und sie kamen sehr gut an. Das Buch lohnt sich. Wünsche einen schönen Tag