Review: Am Stück gestrickt. Passgenaue Modelle für Jacken und Pullover. Von Margaret Huber

[Werbung. Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar kostenlos vom Stiebner Verlag zur Verfügung gestellt. Der Beitrag enthält Amazon Affiliate Links. Wenn ihr diese zum shoppen benutzt, bekomme ich eine kleine Provision. Der Einkauf wird für euch dadurch nicht teurer und ich kann auch nicht sehen, wer was über diesen Link bestellt.]

Niemand näht gerne gestrickte Kleidungsstücke aus Einzelteilen zusammen. Fast niemand zumindest. Es gibt auf der Welt bestimmt Millionen von UFOs (Unfertigen Objekten), die nicht vollendet werden, weil der oder die Stricker*in sich einfach nicht dazu aufraffen kann, den Pullover oder die Strickjacke aus ihren Einzelteilen (Vorderteil, Rückenteil, Ärmel) zusammenzusetzen.

Ich gehöre auch zu der Sorte Stricker*in, die das Nähen beim Stricken meidet wie der Teufel das Weihwasser. Es gibt zum Glück genügend Methoden, ein Kleidungsstück zu stricken ohne in die Verlegenheit kommen zu müssen, das Ganze am Schluss zusammenzunähen. Deshalb habe ich mich auch sehr auf das Buch „Am Stück gestrickt. Passgenaue Modelle für Jacken und Pullover“ [Amazon Affiliate Link] von Margaret Hubert aus dem Stiebner Verlag gefreut. Dieses Buch ist ein „Rezeptbuch“, das in unterschiedlichen Tabellen für verschiedene Garnstärken und Konfektionsgrößen die Grundanleitungen für verschiedene Methoden des „am Stück Strickens“ liefert, um möglichst das verhasste Nähen zu vermeiden.

Überblick

Aber von vorne, das Wichtigste noch einmal wiederholt: Es handelt sich bei „Am Stück gestrickt“ [Amazon Affiliate Link] um ein Rezeptbuch. Es enthält Grundmodelle inklusive Anleitung für insgesamt vier verschiedene Methoden, einen Pullover oder einer Strickjacke an einem Stück, also nicht in Einzelteilen, zu stricken. Das bedeutet jedoch nicht, wie von mir anscheinend naiverweise zunächst vermutet, dass hier nicht mehr genäht werden muss. Das Einzige, was hier komplett vermieden wird, ist das Einsetzen von Ärmeln. Zu schließende Nähte finden sich in dem Buch leider noch zu genüge.

Review Am Stück gestrickt (2)

Im Grunde genommen enthält das Buch von Margaret Hubert vor allem eins: Tabellen über Tabellen. Die Autorin hat sich die unglaubliche Mühe gemacht, für eine schier unglaubliche Anzahl an Konfektionsgrößen sowie drei unterschiedliche Garnstärken bzw. Maschenproben die jeweils erforderlichen Maschenzahlen und andere Angaben zu berechnen. Wenn man also seine Größe kennt – die passende Tabelle mit den Körpermaßen zum ermitteln der richtigen zu strickenden Größe findet sich am Anfang des Buches – kann man, unter Einhaltung der entsprechenden Maschenprobe, aus der jeweiligen Tabelle die Angaben zum Stricken eines passenden Modelles ablesen. Diese Idee und Herangehensweise ist zunächst einmal super und ich hatte mich da sehr drauf gefreut, in der Hoffnung, Rezepte für Grundformen zu erhalten, aus denen ich dann für mich passende Modelle ableiten kann (denn aus einem Grundrezept kann man als erfahrener Stricker so gut wie alles machen, indem man zum Beispiel selber Muster einstrickt). Aus verschiedenen Gründen überzeugt mich das Buch aber leider nicht.

Die Konfektionsgrößen

Positiv hervorzuheben ist definitiv, dass die Autorin mit ihren Tabellen und Maßangaben ein großes Spektrum an Konfektionsgrößen abdeckt. Jedes Grundmodell gibt es berechnet für Kinder, Damen und Herren, und zwar jeweils für folgendes Größenspektrum:

  • Kinder: Größe 92/98 bis 176
  • Damen XS (Brustumfang 71-76) bis 5XL (Brustumfang 152-158)
  • Herren S (Brustumfang 86-91,5) bis XXL (Brustumfang 127-132)

Das ist schon ordentlich!

Die Garnstärken

Bei den für das Buch verwendeten Garnstärken beginnt meine Kritik an dem Buch. Die Autorin hat jedes Grundmodell für jede Größen-Kohorte (Kinder, Damen, Herren) für jeweils drei verschiedene Garnstärken bzw. die dahinterstehende Maschenprobe berechnet: Dünn, Mittel und Dick.

Leider ist das „dünn“, an dem sich die Autorin orientiert, angelehnt an das vom amerikanischen Craft Yarn Council (ja, den gibt es wirklich!) „Standard Yarn Weight System“ und da ist „dünn“ Garn der Stärke DK bis Light Worsted. Das ist für mich schon die obere Grenze, was die Dicke des Garnes für Klamotten angeht. Somit fallen für mich die Stärken Mittel und Dick komplett raus, das ist mir (bis auf wenige Ausnahmen) einfach zu dick für Pullis oder Strickjacken.

Review Am Stück gestrickt (3)

Was mich sehr gewundert hat, sind die Maschenproben, die für die jeweilige Garne angegeben wird. Die liegt für „dünn“, also Garne in DK-Stärke bei 21-24 Maschen pro 10cm und soll mit 3,75er-4,45er Nadeln erreicht werden. Diese Maschenprobe erreiche ich üblicherweise bei Garn in Sockenwollstärke, wenn ich daraus Klamotten stricke. Bei DK liegt die Maschenprobe bei Klamotten meist so grob um die 16 Maschen, was in diesem Buch zur mitteldicken Garnkategorie gehört. Im Buch wird also von einem ordentlich festen Gestrick ausgegangen. Ich würde wahrscheinlich einfach Garn in Fingeringstärke nehmen und nach der Tabelle für das DK-Garn stricken – no risk, no fun!

Die Modelle

Das Buch stellt insgesamt vier Methoden vor, einen Pulli bzw. eine Jacke am Stück zu stricken:

  • Raglan von oben
  • Rundpasse
  • Seitlich gestrickte Modelle
  • Von hinten nach vorn gestrickte Modelle

Raglan von oben und am Stück gestrickte Rundpassen-Modelle sind in der Strickwelt üblich. Das „kennt“ man. Bei diesen Varianten habe ich allerdings partout nicht verstanden, warum die Autorin sie so konstruiert, dass man die Maschen für die Achseln, also unter dem Arm, anschlägt anstatt aus dem Körper aufzunehmen. Nach der Methode der Autorin ergibt sich nämlich eine offene Naht die – na, wer ahnt es – durch Nähen geschlossen werden muss.

Ganz kurios wird es an der Stelle, an der die Ärmel bei Strickjacken sowohl bei den Raglan- als auch bei den Rundpassenmodellen in Reihen und nicht in Runden gestrickt werden sollen. Das ergibt für mich überhaupt keinen Sinn, da es bei diesen Konstruktionsarten für die Ärmel überhaupt keinen Unterschied macht, ob ich eine Jacke oder einen Pulli stricke – ich kann in beiden Fällen die Ärmel in der Runde stricken und vermeide es so, zwei lange Ärmelnähte durch Nähen schließen zu müssen. Wer ein wenig Erfahrung mit dieser Art der Konstruktion weiß das und kann die Anleitung entsprechend abwandeln, aber für nicht so Geübte wird hier unnötige, komplett vermeidbare Näharbeit geschaffen – und das in einem Buch, bei dem es im Vorwort heißt, dass Stricker es in der Regel hasse, zu nähen.

Spätestens an dieser Stelle hatte ich den Eindruck, dass die Autorin keinen guten Überblick über den aktuellen Stand an nahtlosen und am Stück gestrickten Konstruktionsmöglichkeiten hat. Denn anstatt Modelle mit der Contiguous Methode oder eingestrickten Set in Sleeves zu zeigen, die wirklich komplett nahtlos und nähfrei sind, führt sie mit seitlich bzw. von hinten nach vorn gestrickten Modellen sehr kuriose Konstruktionsmethoden auf, die zudem noch sehr viel Näharbeit erfordern (da jeweils die Seiten und Ärmelnähte geschlossen werden müssen).

Review Am Stück gestrickt (1)

Hinzu kommt, dass die Grundmodelle allesamt ziemlich kastig sind und im Grunde genommen alle dieselbe Form, haben, egal ob für Kinder, Damen oder Herren gestrickt. Die Damenmodelle enthalten keinerlei Formung auf die weibliche Figur, wie etwa eine ausgeformte Taille. Das muss man sich selber einbauen, was bei den seitlich gestrickten Modellen ein wenig Kopfarbeit erfodert. Ich finde es schade, dass sich die Autorin nicht die Mühe gemacht hat, die Formen jeweils auf die „Zielgruppe“ bzw. Körperform anzupassen, zumal der Titel „passgenaue Modelle“ verspricht – aber ein Männerkörper ist kein Frauenkörper ist kein Kinderkörper. Hier wurde meiner Meinung nach viel Potenzial verschenkt, was sehr schade ist, denn die Grundidee dieses Buches ist super gut!

Zu erwähnen ist noch, dass zusätzlich zu den Grundmodellen, die über die Tabellen vorgestellt werden, noch einige Abwandlungen davon gezeigt werden, bei denen zum Beispiel ein Zopf oder Lochmuster eingestrickt wird. Das hat mir gut gefallen und ich finde diese Einschübe auch wichtig und sinnvoll, denn sie zeigen, wie kreativ man mit den Grundmodellen arbeiten kann.

Fazit

Vielleicht habe ich zu hohe Erwartungen an das Buch gestellt, denn ich bin im Großen und Ganzen ziemlich enttäuscht davon. Es macht für mich den Eindruck, als habe die Autorin die Entwicklungen verpasst, die sich in den letzten Jahren auf dem Gebiet des „Am Stück“ und „nahtlos“ Stricken ergeben haben. Das Buch wirkt für mich ein wenig aus der Zeit gefallen.

Die Tabellen sind nützlich, wenn man mit den angegebenen Garnstärken arbeitet und die Maschenproben trifft. Um für mich tragbare Stücke daraus zu fertigen müsste ich die Anleitungen aber noch stark anpassen und abwandeln – schon allein, um so sinnlose Dinge wie die Naht unter den Achseln zu vermeiden. Das Buch ist definitiv nix für Anfänger, für fortgeschrittene Stricker*innen ist es vielleicht ein ganz netter Startpunkt, aber es gibt hier definitiv noch Luft nach oben. Ich würde mir eine überarbeitete Version des Buches wünschen, das die aktuellen Entwicklungen aufnimmt.

Auf einen Blick

Titel: Am Stück gestrickt. Passgenaue Modelle für Jacken und Pullover. [Amazon Affiliate Link]

Autorin: Margaret Hubert

Verlag: Stiebner Verlag

Preis: 29,90€ (D)

Review Am Stück gestrickt (6)

Review Am Stück gestrickt (5)

Review Am Stück gestrickt (4)

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..